21/07/11 - Leshan, Mt. Emei und der Weg nach Kunming [Tag 322-353/km 8585-9079]

Von Sichuan's Metropole radeln wir durch das dicht besiedelte Chengdu-Tal nach Leshan, nicht nur um uns den berühmten Budda anzusehen, sondern auch um unser Visum zu verlängern. Die Zeit vergeht wie im Fluge und so sind wir mittlerweile schon bald 30 Tage in China. Am so genannten Giant Budda bekommen wir erstmals den wahnsinnig durchorganisierten chinesischen Tourismus zu sehen. Busse-weise werden Menschen angekarrt, die im 20min. Takt einem mit Minilautsprechern ausgestatteten, schreienden Führer hinterher watscheln und an der "Sehenswürdigkeit" vorbei geschleußt werden. Die ganze Szenerie ist mehr als skurril, wir haben eher das Gefühl in einen drängelnden Ausverkauf geraten zu sein, als uns an einem mystischen Ort zu befinden. Nichtsdestotrotz ist die riesige Statue mit seinen allein 8 Meter großen Ohren eine imposante Erscheinung.

Mit weiteren 30 Tagen im Pass folgen wir dem Blick des großen Budda Richtung Mt. Emei Shan. Der 3099 Meter hohe Berg, gehört zu den Sida Fojiao Mingshan , den vier heiligen buddhistischen Orten Chinas. In den nächsten zwei Tagen steigen wir mit einigen Pilgern, welche teilweise an die 80 oder 90 Jahre alt sind, bis zum Gipfel. Auf dem Weg schlafen wir im Kloster und treffen immer wieder dieselben Gesichter. Wir sind mehr als beeindruckt von der körperlichen und mentalen Leistung der kleinen alten Menschen. Am Gipfel trifft uns fast der Schlag: Der Anblick des Wolkenmeeres ist unbeschreiblich schön. Vor Überwältigung sollen sich nicht wenige Buddihsten genau hier in die Tiefen gestürtzt haben.

In den nächsten Tagen werden wir beide krank  (diesmal nicht vom Essen, sondern von der Klimaanlage). Es macht weder Spaß noch Sinn weiter an viel befahrenen Straßen mit rücksichtslosen Fahrern und wie wahnsinnig hupenden LKW´s zu radeln. Mit ein wenig Glück ergattern wir ein Zugticket noch am selben Tag, kurz darauf sitzen wir mit den Rädern neben Enten, Kisten voller Kücken, Säcken Reis und allerhand Zeug in einem Güterwagon Richtung Kunming.


20/06/11 - Trans-China - Via Urumqi nach Chengdu [Tag 308-321/km 8402-8585]

Nach dem wir unsere Einfahrt in Kaschgar gebührend gefeiert haben, fragen wir uns 'was nun?'. Wir fühlen uns weder nach Heimkehr noch danach 3000km durch die ganz Westchina bedeckende Taklaman-Wüste zu radeln, zumal unsere Visumszeit begrenzt ist. Nach tausenden Kilometern durch karge Berge, Kälte, Wüste sehnen wir uns nach Grünlandschaft, Sonne, Strand, Urlaub und  Meer. So beschließen wir unsere Reise fortzusetzen - und die riesigen Distanzen in China mit dem Zug zurückzulegen. Die einzige Zugverbindung von hier führt nach Ürümqi - nordöstlich von uns - eine Stadt, die sich lustigerweise einen Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde als am weitesten vom Meer entfernte Großstadt der Welt sichert. Hier verbringen wir Torstens Geburtstag mit Riesenradfahren und chinesischem Bier.

Das Zugfahren macht uns bewusst, wie einfach und unabhängig wir mit Rad unterwegs waren. Das Ticketkaufen und Fahrrad-verfrachten entpuppt sich teilweise als richtiger Alptraum. Lange Schlangen reihen sich vorm Ticketfenster mit ungeduldigen, drückenden und vordrängelnden Chinesen bis wir zum desinteressierten Ticketverkäufer durchdringen. English?- No!, When is the next train? - No! No!! NO!!!... Ohne chinesisch ein schwieriges Unterfangen mit wenig Hilfsbereitschaft. Je nach Preis sind die langen Zugfahrten dann relativ bequem und wir bekommen einen interessanten Einblick in die Eigenarten der Chinesen, manchmal tiefer als uns lieb ist...

Wir durchqueren die Wüste mit dem Zug der zwei Tage und zwei Nächte fährt und fühlen uns - als wir im grünen, subtropischen Chengdu aussteigen - als wären wir mit Schallgeschwindigkeit durch ein Wurmloch gereist. Es ist drückend schwül, warm, Monsunzeit und vor allem grün mit Gingko-Bäumen und Hibiskus Blüten. Anders als im uigurischen Gebiet in Westchina haben wir nun das Gefühl ein Teil des 'richtigen Chinas' kennenzulernen. Nach einigen Magenproblemen trauen wir uns langsam wieder an verschiedene chinesische Gerichte ran, wie frittierten Lotus oder Gong-bao Hähnchen und suchen und finden in einem Teehaus eine Vorstellung der berühmten Sichuan Oper. Wir schauen verständnislos aber beeindruckt dem schrillem Gesang der Gesichts-wechselnden, Schwert-kreisenden, zu Gong-Musik tanzenden Figuren zu und finden darin unsere Fremdheit in diesem Land gut wiedergespiegelt.



07/06/11 - Abfahrt bis nach Kashgar [Tag 296-308/km 8170-8402]

Schon an der Grenze ist alles sehr modern und stark kontrolliert, unser Gepäck wird dementsprechend zwei ma l inspiziert und dann noch einmal durchleuchtet. Die sog. Entry Register Card wird nicht ,wie in Zentralasien, auf drei Formularen selbst ausgefüllt, sondern hier von einer seltsam sprechenden "Passporteinscan-maschine" mit allen Daten ausgedruckt. Nach allen Formalitäten sind wir in unserem Zielland angekommen - China. Die ersten Meter jedoch, sind erstmal ein Schock: überall Müll, Flaschen, viele Lkw-Spilunken, Regen und laut schreiende Leute; nach der Ruhe und Abgeschiedenheit im Pamir etwas ungewohnt. Die Zeitverschiebung gibt uns den Rest: 3h Unterschied zum Pamir! Dies ist wohl eine der wenigen Landesgrenzen, wo man zu Fuß einen "Jetleg" bekommt!

Die nächsten zwei Tage sind quasi eine einzige gigantische Abfahrt (abgesehen von 3-4 kleinen Pässen), die uns ganz aus den Bergen in den wüstigen Westen Chinas führt. Gefühlt sind wir wieder voll und ganz auf der Seidenstraße: die Verkehrsschilder sind in chinesischen und arabischen Lettern geschrieben, die Landschaft ist trocken und wilde Kamele mit schlaffen Höckern trotten langsam durch die Weite. Etwas skurril aber sind die - neben den ursprünglich in dieser Region lebenden Kirgiesen und Uiguren - angesiedelten Han-Chinesen, Checkpoints und das chin. Militär. Wir haben den Eindruck in einem chinesisch besetztem Gebiet in China zu sein, ein wenig erinnert uns diese Geschichte an das besetzte Kurdistan in der Türkei.

Nach beinahe 300 Reisetagen erreichen wir - mit einem Sandsturm im Rücken - die Stadt Kaschgar. Die alte Oasenstadt ist chinesisch modern und gleichzeitig uigurisch traditionell. Leuchtende chinesische Geschäfte und Shoppingmalls stehen im Kontrast zu Viehmarkt und Moschee. Wir mieten uns in einem Nobelhotelkomplex, genießen die langersehnte Dusche (erschrecken uns beim Blick in den Spiegel) und saugen die Vielfalt der Menschen, deren Treiben, Farben, Früchte und allerhand Essen in unsere Körper auf.