Güle Güle heißt Auf Wiedersehen

Es vergehen fast zwei Wochen bis wir die kleine Stadt Dogubayazit verlassen und uns mit unseren frischgebackenen und langersehnten Visa auf gen Iran machen. In dieser Zeit richten wir uns ein wenig in unserem günstigen Hotel ein, treffen sogar mal andere Reisende, bekommen die Migros Eröffnung in der Stadt mit und sind mit dem Fischbrötchen-Verkäufer per du. Dogubayazit liegt direkt am Ararat (5137m), dem höchsten Berg der Türkei. Der erste der diesen Berg bestiegen hat, war übrigens ein Deutscher. Der Legende nach soll hier die Arche Noah gestrandet sein. Wir genießen den Ausblick auf den schneebedeckten Berg und schauen uns auch das in der Nähe gelegenen Ishak Pasa an. Ein Palast wie aus 1001 Nacht in beeindruckender bergiger Szenerie und ein markanter Punkt der alten Seidenstraße.

Nachdem wir ausreichend Geld in Dollar getauscht haben (im Iran sind Kreditkarten nutzlos), Rieke klamottentechnisch Iranfit gemacht haben und das letzte Mal Supermarkt-shopping genießen, haben unsere Räder und die Straßen uns wieder. Bis zur Grenze sind es nur 30km, die wir bei Rückenwind geradezu fliegen. Hier machen wir nochmal Halt um uns ein Loch anzuschauen, das ein 1892 hier eingestürzter Meteor hinterlassen hat. Angeblich der zweitgrößte Meteor-Krater der Welt. Ein weiterer Superlativ...

Dann verlassen wir die Türkei und kehren spätestens jetzt dem Westen ganz den Rücken zu. Ein Grenzbeamter ruft uns hinterher: Güle Güle - Auf Wiedersehen.



24/11/10 - Muradiye, Caldiran und Dogubayezit [Tag 113-114/km 4243-4380]

Am Ende des Vansees biegen wir rechts ab Richtung Dogubeyazit und: IRAN. Vom Rückenwind getragen, erreichen wir gegen Mittag den Muradiye Wasserfall. Ein schönes Naturschauspiel, welches wir in dieser kargen Landschaft garnicht vermutet hätten. Hier ist es ausgesprochen windig und kalt, so dass wir uns weiter auf den Weg machen. In einem Dorf werden wir von einem Jugendlichen zum ersten Mal mit einem Stein beworfen; Wir bremsen scharf und wollen ihn uns schnappen, da rennt er schon davon. Da wir in Foren viel von steineschmeißenden Kindern in dieser Region gelesen haben und wir zudem ziemlich nah an der iranischen Grenze entlang fahren, sind wir froh gen abend Caldiran zu erreichen, wo wir ein kleines „Hotel“ finden. Der Gastherr verfrachtet uns und die Räder sofort ins Haus und schließt hinter uns ab. In dem kleinen Rohbau-zimmer gibt es sogar einen Ofen, sodass wir es diese Nacht warm haben.

Am nächstem Morgen steht für uns der bisher höchste Pass unserer Reise (2644m) bevor. Wir fahren an vereisten Bächen, kleinen Bergdörfern und erkalteten Lavaströmen vorbei, eine faszinierende Landschaft. Rechts von uns stets Berge, die die Türkei vom Iran trennen. Es wird stetig kälter aber wir haben schönen Sonnenschein beim Anstieg. Gegen Mittag erreichen wir den Pass und rollen die 30 Kilometer nach Dogubayazit in weniger als einer Stunde herunter. Dass wir so schnell sind, liegt weniger an der steilen Abfahrt als an weiteren Horden steineschmeißender Kinder, und angreifender Höllenhunde, die uns zu ungeahnten Geschwindigkeiten antreiben. Schade, dass dieser schöne Fahrtag in einer Flucht endet. Völlig fertig erreichen wir die Grenzstadt Dogubeyazit am Ararat.

 

18/11/10 - Van und der schöne See [Tag 107-112/km 4198-4243]

In Van angekommen, fällt als erstes die Moderne der Stadt auf: gute Klamottenläden, Kinos, ein paar schöne Parks und viele junge Leute auf den Straßen. Wir verbringen ein paar Tage mit der üblichen Hotel-Routine,Visa-angelegenheiten und Stadtbummel_sitzen in Cafes, essen Extremschokotorte und schauen uns auch mal ein paar Sehenswürdigkeiten an. Da es immer kälter wird, kaufen wir weitere Winterklamotten wie Felleinlegesohlen für die Schuhe oder Wollunterwäsche, welche sich in den nächsten Tagen als wirklich nützlich erweisen wird. Als weiteres Highlight legen wir uns die langersehnte Zeltunterlage bei einem „PVC Händler“ zu für etwa 1,50€.
Um unabhängig zu bleiben und bei einer möglichen Absage des Iranvisumantrags nicht dumm da zu stehen, entscheiden wir uns spontan in Richtung Norden aufzubrechen. Unser „Plan B“ heißt in diesem Falle „Kaukasus“, oder genauer gesagt: Georgien. Doch vorerst wollen wir ein paar Kilometer entlang des großen Salzsees radeln und testen wie wir so mit Zelten bei Minusgraden klar kommen.
Kurz hinter dem Tasmali Gecidi Pass finden wir eine schönen Schlafplatz nahe des Sees. Als gegen 16.00 Uhr die Sonne hinter den Bergen verschwindet, wird es bitter kalt_beim Zeltaufbau schmerzen die Finger und nahezu überallhin kriecht die Kälte. Eingerollt in Schlafsäcken kochen wir aus dem Zelt heraus, essen schnell, knicken unsere Handwärmer und legen uns schlafen.
Nachts geht das Quecksilber runter bis zu -5°C_dennoch schlafen wir überraschend gut und sogar durch. Morgens sind die Zeltwände vereist, die digitale Spiegelreflex gibt den Geist auf und die Wasserflaschen....naja, das kann man sich ja denken. Als die Sonne sich zeigt hängen wir alles zum trocknen auf, geniessen 2-3 Tee und machen uns weiter auf den Weg...

 

10/11/10 - Diyarbakir und hoch zum Vansee [Tag 98-106/km 4014-4198]

Diyarbakir ist die Hochburg des kurdischen Widerstands. Kaum sonstwo ist man so stolz kurdisch zu sein wie hier. So stehts im Loneley Planet. Und so ist es auch. Während wir hier sind, findet eine große Demonstration für Demokratie und Autonomie eines freien Kurdistans statt. Am Abend kommt es zur Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei. Wir verbringen hier mehrere Tage um auf unser Paket mit dem Winterequipment zu warten. Auf der Straße lernen wir ein paar kurdische Studenten kennen (allesamt stolze Kriegsdienstverweigerer), die uns mit in ihr Cafe nehmen. Außerdem gibt es immer noch Probleme mit der lästigen Beschaffung des Iran Visums.
Als wir die Stadt verlassen, merken wie es langsam ein wenig grüner um uns wird. Auf einmal sind herbstfarbende Bäume zu sehen - unser Hirn saugt diese kräftigen Farben geradezu auf - und wir lassen uns erstmal auf ein Picknick nieder. Da wir beide unter einer verschleppten Grippe leiden, zieht sich diese Etappe ins Unendliche...nur schleppend kommen wir km um km voran. Die Begenungen mit den Menschen sind sehr unterschiedlich: In einem Orten treffen wir auf Freundlichkeit und Interesse in dem nächsten auf aggressives „Hello Hello“ - Geschreie und lästige Straßenkinder. Während Rieke kurz in einem Laden Wasser kauft, wird Torsten binnen Sekunden von mehr als 15 Kindern belagert_ einer schreit „Tourist“, der andere „Money, Money“, andere wollen Zigaretten (die kleinen Rauchen sind zwischen 5-9 Jahre alt!), fummeln oder reißen an unseren Rädern und Gepäcktaschen, bis sie manchmal von einem Angestelltem mit Tritten und einem Besen verjagt werden.
Als wir in der Region um Batman/Siirt in die Berge fahren, nimmt die Militärpräsenz erheblich zu. Jetzt sind es nicht mehr nur bewaffnete Soldaten in Schutzhütten, sondern auch schwere Gefährte wie Panzerwagen o.Ä., welche die Stützpunkte schützen. Nur wenige km liegen zwischen den einzelnen Jandarmarielagern. Nahe Bitlis werden wir von einem Truckfahrer angehalten, der anbietet uns mitzunehmen. Dankend nehmen wir den Lift an. Nach einem gemeinsamen Abendessen wollen wir als es dunkel wird unser Zelt aufschlagen, doch unser überängstlicher Trucker lässt uns partout nicht. So schlafen wir zu dritt in der Fahrerkabine. Im Zelt wärs sicherlich gemütlicher gewesen.

 

04/11/10 - Sanliurfa und ganz viel Nichts [Tag 93-97/km 3817-4014]

Wir erreichen die wunderschöne, uralte Pilgerstadt Urfa. Als erstes geht das Hotelgesuche los und nach einigen Rezeptionsbesuchen mit Feilschen um jeden Lira finden wir 'was Schönes' für knappe 7,50€ pro Nase. Wir streifen ein wenig durch die Hintergassen der Altstadt und werden von einem sehr netten und durchaus redseligen alten Opi in sein Haus geladen, wo wir Tee, Tee und nochmals Tee serviert bekommen. Der Gastherr spricht ein wenig deutsch und erzählt uns die komplette Entstehungsgeschichte der Stadt, König Nimrod und die religöse Bedeutung.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf die Halil-Rahman-Moschee und den Teich des Abraham mit seinen unendlich vielen heiligen Karpfen zu besuchen_ein beeindruckender Komlex! Laut Legende sollte dort der Propheten Abraham auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden, der jedoch verwandelte kurzerhand das Feuer zu Wasser und die Glut zu Karpfen_so entrann er dem Tod. Edessa oder heute Sanliurfa gilt als die fünftheiligste Stadt des Islam.
Von Urfa machen wir uns spontanerweise auf in Richtung Diyarbakir-der Gegenwind auf diesen 200km fordert unsere letzten Kräfte (und auch Nerven). Auf halben Weg durch absolutes Nichts biegen wir rechts ab und wollen die nächsten km auf Nebenstraßen fahren_das Ergebnis: Noch mehr Nichts_im wunderschönes Kurdistan mit Weiten und vereinzelt winzigen Dörfern. Vor einem Haus werden wir von zwei extremst agressiven Höllenhunden aufgehalten, die den Besitzer auf uns aufmerksam machen. Wenige Minuten später sitzen wir bei Ahmet und bekommen ein leckeres Frühstück mit Fladenbrot, Oliven, Honig selbstgemachtem Käse und Yogurt. Mit zwei Eng.-Türk. Dictinarys „reden“ wir über dies und das und zum erstenmal wirklich über die Türkei/Kurden Problematik. Später rattern wir mit 8 km/h weiter über gröbsten Rollsplitt mit waagenradgroßen Schlaglöchern..Als es Dunkel wird verlassen wir das wunderschöne Nichts_ und erreichen am nächsten Tag bei 4000km die Stadt Diyarbakir.


 

28/10/10 - Entlang der syrischen Grenze [Tag 87-93/km 3659-3817]

In Antep finden wir zum Glück einen Fahrradladen mit 28er Speichen, und bekommen von dem netten Ladenbesitzer unseren gesamten Einkauf geschenkt.Im Hotelzimmer repariert und zentriert Torsten das Rad. Wir bleiben ein paar Tage hier, schauen uns in der modernen Stadt um und besorgen uns warme Socken und Mützen. Währenddessen ist hier Nationalfeiertag, der mit Märschen und Feuerwerken gefeiert wird. Bei strahlend blauem Himmel und frischer Luft satteln wir unsere Räder wieder auf und verlassen die Stadt. Hier und da lassen wir uns gerne auf einen Tee einladen, den Tankwart dafür mal unter Gelächter seiner Kollegen probefahren. Unter die Türken und Kurden mischen sich hier mitlerweile auch einige Araber. Abends finden wir in der drögen steinigen Landschaft ein Olivenhain in den wir uns schlagen können.
Am nächsten Morgen entdeckt Torsten am Straßenrand etwas kleines Wolliges. Versteckt unter einem kaputten Reifen kauert ängstlich ein kleiner Hundewelpe, der Rasse Höllenhund. Wir geben dem kleinen Wesen etwas Wasser und Haferflocken und überlegen was wir nun mit ihm anstellen. Auf Torstens Arm kuschelt es sich in den weichen Fleece und ist binnen einer Sekunde eingeschlafen. Behutsam legen wir ihn in der Lenkertasche (in die er perfekt passt) und fahren zur gegenüberliegenden Tankstelle, wo wir ihn den desinteressierten Leuten übergeben_“anne“ (tr.: Mutter) soll hier in der Gegend sein. So gerne hätten wir den kleinen „Ortlieb“ mitgenommen..
Nach wenigen Kilometern stoßen wir in Bilecik auf den größten Strom Vorderasiens: den Euphrat. Laut der Schöpfungsgeschichte der Bibel soll zwischen Euphrat und Tigris der Garten Eden liegen. Seltsames Gefühl, dass ein Begriff wie 'das Paradies' hier seinen wirklichen Ort hat. Beeindruckt lassen wir uns am Ufer auf lecker Döner nieder. Hinter der Stadt, nicht mal 20km von der syrischen Grenze entfernt, bauen wir bei etwas mulmigen Gefühl aufgrund seltsamer Reaktionen Einheimischer_nicht abbiegen, weiterfahren - mit Finger am Abzugzeig - unser Nachtlager auf. Nach zwei Nächten frieren steht fest, mit unseren Sommerschlafsäcken kommen wir nicht mehr aus_daraufhin kaufen wir eine der riesigen - im Packmaß extrem unvorteilhaften - Felldecken, mit denen die Leute hier schlafen. So geht’s.
Ein wenig müde erreichen schließlich Sanliurfa.


 

26/10/10 - Weg bis nach Gaziantep [Tag 84-86/km 3512-3659]

Bevor sich unsere Wege trennen, gönnen wir uns noch ein ausgiebiges Reste-Frühstück zu dritt. Andre fährt nach Adana, und wir schlagen unseren Weg nach Osmaniye ein. Irgendwie kommen wir nicht so richtig in Fahrt. Noch dazu bremst uns ein ungewollter Umweg von 10km über eine Anhöhe. Ab jetzt geht es langsam aber stetig bergauf. Die Landschaft ist überraschend saftig. Nach nur rund 40km suchen wir uns einen Schlafplatz. Gaziantep scheint noch endlos weit entfernt. Am nächsten Morgen sind wir schon vor Sonnenaufgang wach und bauen im Frühnebel das Zelt ab und satteln auf. So frustriert wir gestern waren, desto motivierter sind wir heute und werden noch dazu von Rückenwind getragen. Bis zum Vormittag erklimmen wir den Aslanlibel Pass (970m) und rollen hinab in den gastfreundlichen Ort Nurdagi. Nach Döner und Tee mit dem Bauarbeiter von um die Ecke machen wir uns wieder auf den Weg. Ab hier beginnt Südostanatolien. Wir fahren durch weite, karge Hügellandschaften. Erst hier erahnen wir wie riesig die Türkei ist - Bei dieser Weite scheinen Städte wie zufällig in die Landschaft gewürfelt. Mit 8km treten wir die lange Steigung hoch, vorbei an Pepperoni-Feldern, Baumwollpflückern, bepackten Eseln und einfachen Zeltbehausungen. Auf 1100m erreichen wir den Akyokus Pass und suchen uns ein nettes Plätzchen für die Nacht. Sobald die Sonne untergeht, fallen die Temperaturen auf knackige 5°. Unser Test für die Berge im Osten. Auf den letzten Kilometern nach Gaziantep brechen Rieke seltsamerweise gleich zwei Speichen, was uns ein wenig Sorgen bereitet. Wir packen ein paar Kilo um und fahren vorsichtig in die Stadt.

 

24/10/10 - Einmal Iskenderun und zurück [Tag 82-83/km 3389-3512]

Nach der netten Begegnung mit Familie Danaci, machen wir uns auf in Richtung Dörtiyol. Dort soll es eine kleine Straße geben, welche die Gebirgskette überquert.. Eine gute Alternative zur Hauptstrasse, welche wir ständig fahren. In Dörtiyol raten uns der einheimische Bäcker und Supermarkverkäufer allerdings davon ab_Terroristen würden sich in den Bergen verstecken. Skeptisch holen wir uns im Internet Cafe Informationen über die Region ein. Im August gab es hier einen Anschlag der PKK auf türkische Polizisten, woraufhin die Bewohner der Stadt sämtliche kurdische Läden verwüsteten. Wir lassen es nicht drauf ankommen, und entscheiden uns kurzum nach Iskenderun zu fahren um eventuell auf der syrischen Seite weiterzufahren. Der Weg führt vorbei an zahllosen Mandarinenbäumen (die wir komplett abernten), der antiken Stadt Issos, und auf einmal ist auch wieder das Meer zu sehen. Hier allerdings geprägt von hässlicher Industrie und langen Militärsperrzonen („Hey Germans don´t stop“). Nach einer Nacht in Iskenderun entscheiden wir uns gegen Syrien und für unseren geplanten Weg durch die Türkei. Mit 0 Motivation fahren wir die 70 nervigen Kilometer zurück und schlagen das Zelt erneut an unserer Burg auf. Ein wenig später trifft auch Andre ein – ein deutscher Radreisender aus Kapstadt, den wir in Iskenderun kennen gelernt haben. Wir kochen gemeinsam und verbringen einen netten Abend mit Musik, Reiseanekdoten und Schwärmereien übers Radfahren.


 

23/10/10 - Toprakkale [Tag 81/km 3328-3389]

Wir fahren weiter die D400 Richtung Osmaniye. Unterwegs bekommen wir haufenweise Erdnüsse geschenkt, die auf weiten Feldern hier angebaut und gleich am Wegesrand getrocknet werden. Ein willkommener Snack, wenngleich das Essen auf dem Rad nicht ganz einfach ist. Als wir gegen Abend einen Schlafplatz suchen, tut sich vor uns eine alte Burgruine auf. Oben angekommen begrüsst uns auch gleich der „Burgherr“ und gibt uns eine persönliche Führung und das „Okay Tamam“ zum Zelten neben den Gemäuern. Wir sitzen noch einige Zeit zusammen, essen Nüsse, sprechen über unsere Reiseroute und schauen uns die alten gefundenen Münzen des Wächters an...gegen Abend sind wir allein auf dem Berg.

Nachts im Zelt liegend, noch im Halbschlaf, hören wir ein Auto sich nähern und sehen den Schein von Taschenlampen in unsere Richtung wandern_es ist ca. 23.30_eine etwas ungewöhnliche Zeit für einen Besuch! Die Gestalten laufen zielgerichtet zum Zelt, wir hören plötzlich das Durchladen eines automatischen Gewehrs... als einer der Männer plötzlich am Zeltdach rüttelt, macht sich leichte bis mittelschwere Panik bei uns breit-schlagartig wird uns klar wie hilflos und angreifbar man ist, in einem Zelt mitten im Nirgendwo. Einer der Typen ruft nur Polis! Polis! Und irgendwas auf Türkisch...wegen des Schrecks sind wir skeptisch.Torsten geht raus und alles ist nur halb so wild_zwei Polizisten haben uns wohl bei ihrer routinerunde entdeckt und wollten mal schauen was da so ist...Wir erklären unsere Tour mit „bisiklet almanya-dan türkiye“ bla bla und alles ist geregelt; einzig Riekes schwarzer Packsack macht sie etwas nervös und sie meinen wir sollten „Dikkat/Vorsichtig“ sein....Sie verabschieden sich und wir schlafen mit einem etwas mulmigem Gefühl wieder ein.


Am nächsten Morgen treffen wir am Fuße der Burg einen Schäfer, der uns gastfreundlich zum Tee und Frühstück einläd_wir folgem dem Hirten und schieben unsere Räder mitsamt der Schafsherde durch die karge Landschaft, irgendwann erreichen wir eine spatanische Behausung aus Tüchern und Plastiktüten.
Hier wohnen Habib, Osman und Gemele Danaci_die wohl genügsamsten Menschen, die wir je getroffen haben. Es wird Cay aufgebrüht, Fladenbrot mit Öl, Oliven und Paprika gereicht_noch dazu kosten wir den selbstgemachten Schafskäse...wir lachen, unterhalten uns ohne etwas zu verstehen, sprechen mehr mit Händen und Füßen. Eine sehr herzliche Begegnung, die uns wiedermal zu denken gibt....weniger haben um mehr zu sein?


 

19/10/10 - Mersin und Adana [Tag 77-80/km 3264-3328]

In Mersin mieten wir uns in einem netten und günstigen Hotel ein, probieren den für hier speziellen Hähnchen-Tantuni, streifen durch die geschäftigen Strassen und führen unsere Hotel-Routine durch (Sachen waschen, uns waschen, Geräte aufladen, Emails checken, Berichte schreiben). Nach zwei Tagen brechen wir weiter gen Osten auf und lassen nun endgültig die Küste hinter uns. Jetzt merken wir warum Türkei auch Kleinasien genannt wird: auf der viel befahrenen Straße Richtung Adana mischen sich neben überladenen Lastern auch kleine Pferdewagen, hier und da wird der Müll am Straßenrand verbrannt, Gerüche und Gestänke und Gewürze liegen in der Luft. Ein Kleintarnsporter hält neben uns und bietet an uns mitzunehmen. Da die holprige, enge, von Baustellen durchzogene Straße etwas nervt, nehmen wir dankend an und genießen mal das Vorwärtskommen in dreifacher Geschwindigkeit aus der Perspektive des Führerhäuschens. Kurz nachdem wir wieder auf dem Sattel sitzen, machen wir Bekanntschaft mit dem anderen Extrem: wir treffen eine Gestalt mit Rucksack und Wanderstock.

Pierre läuft schon seit 6 Monaten von der franz. Schweiz in die Türkei und ist auf dem Weg nach Jerusalem. Wir ziehen den Hut vor ihm, denken wir doch oft schon, wie leidend und langsam unser Weg manchmal ist.

In Adana tut sich vor uns die größte Moschee der Türkei auf. Die Sabanci-Merkez-Moschee hat sechs Minerette und wurde erst im Jahr 1998 eröffnet. Im schönen angrenzenden Park machen wir Mittagspause mit Simits und Börek. Danach finden wir den wohl letzten Outdoor-Laden vor China, suchen uns noch einige wichtige Winterutensilien zusammen, führen unsere Räder den staunenden Augen der Mitarbeiter vor, werden vom Besitzer Murat zum Tee eingeladen und am Ende noch mit einigen Teilen und ein paar Prozenten aufs gekaufte gesponsort. Aufgefüllt mit guten Gefühlen fahren wir aus der Stadt heraus und zelten hinter einem kleinen Hügel an einem abgrenzenden Feldweg.


 

15/10/10 - bis nach Mersin [Tag 73-76/km 3032-3264]

Als wir Richtung Mersin aufbrechen, haben wir nach etwa 40 Sonnentagen mal wieder etwas Regen. Der kommt uns gerade recht, da es die nächsten Kilometer immer wieder steil auf und ab, von Tal auf Berg geht und uns so die Wolken etwas Abkühlung und Schatten schenken.

Wir essen unsere letzten Anamurbananen und schlafen an einem Steilhang zwischen Straße und Meer_die Aussicht ist einfach klasse! Am nächsten Abend fahren wir auf gut Glück in den kleinen Strandort Büyükeceli und treffen dort zwei Generationen in zwei Campern aus Österreich. Wir gesellen uns dazu und verbringen einen netten und gastfreundlichen Abend. Alex und Magdalena fahren mit ihrem Bus bis Südafrika, und von dort aus per Flugzeug, Bus und Bahn auf alle weiteren Kontinente der Erde. Wir springen morgens noch einmal ins Meer, bevor wir gegen Nachmittag alles aufsatteln um noch ein paar Kilometer zu radeln.

Auf dem weiteren Weg werden wir mal zum Ayran eingeladen, halten ein kleines Schwätzchen mit Deutschtürken über die die wirtschaftliche Lage Alemanyas, schauen uns die Mädchenburg in Kizkalesi an (und das Goldhotel) und radeln schließlich in die quirlige Stadt Mersin.

 

12/10/10 - Anamur [Tag 70-72/km 2998-3032]

Früh morgens genießen wir die Abfahrt zum Kap und der Tacho springt auf 3000km_wir freuen uns sehr auf Anamur,die südlichste Stelle des Landes...doch irgendwie kommt alles anders...

Wir treffen auf den wohl wahnsinnigsten und unverschämtesten Campingplatzbesitzer der Türkei_dieser verlangt 12,50€ für den Platz, wir dürfen kein Licht benutzen um Strom zu sparen, müssen um Toilettenpapier betteln und sollen dem ewig jammerden Kerl obendrein noch bei der Arbeit (Bienenkästen schleppen und anstreichen) helfen. Als der Campingheini dann Morgens sieht das wir abends zuvor ein Feuer gemacht,gegrillt und unsere 3000km gefeiert haben, ist kurioserweise alles vorbei_binnen 10 min. steht die Jandarmerie mit vier Leuten auf dem Platz und wir sind in einer großen Diskussion verwickelt. Alles halb so wild, der Jandarmariekörnel zeigt uns unauffälig, dass der Campingtyp bekloppt ist und sagt mit zwinkerndem Auge nochmal „Atesch yok“; damit ist dann alles geregelt.Nunja fast, zwei min. nach Abzug der Kavallerie werden wir aufgefordert die Steine der Feuerstelle zu reinigen...was soll man dazu mehr sagen als „YOK!“. Bevor wir von alleine `nen Abmarsch machen können, werden wir offiziel vom Zeltplatz geschmissen...wen wunderts da, dass wir nahezu die Einzigen dort waren.


 

10/10/10 - bis kurz vor Anamur [Tag 68-69/km 2896-2998]

Ab Alanya wird der Weg dann um einiges anstrengender, wenn auch viel schöner: Die angenehm asphaltierten Straße von Antalya bis Alanya wird nun wieder vom üblichen türkischen Straßenbau abgelöst - eine aus kleinen Kiessteinen bestehende Schotterschicht, die erst mit der Zeit festgefahren wird (wahrscheinlich billiger und rutschfester bei Schnee). Der tückische Belag verdirbt uns ein wenig den Spaß. Die Straßen schlängeln sich in endlosen Kurven um die direkt aus dem Mittelmeer aufsteigenden Berge des Taurusgebirges vorbei an Bananenplantagen und Kiefernwäldchen. Hier bleibt kein Platz mehr für Hotelanlagen. Zusammen mit ein paar qualmenden überbeladenen Lastern kämpfen wir uns die sonst sehr verkehrsarmen engen Serpentinen hoch – stolz wie Hund oben angekommen, rattern wir alles bis zum Meeresspiegel wieder runter, nur um dann den nächsten Anstieg hochzutreten. Ein wunderschönes, wenn auch extrem kräftraubendes Spiel. Die Alpen kommen uns dabei vergleichsweise viel einfacher vor. Zum Glück hat es sich in den letzten Tagen ziemlich abgekühlt, und wir haben nicht noch zusätzlich mit der brennenden Sonne zu kämpfen. Nach Gasipasa passieren wir wenige kleine Bergdörfer, schließlich sind dort, wo auf der Karte etwas eingezeichnet ist, nur noch ein paar Bananen- und Honigverkaufsstände und caybuden zu finden. Also trinken wir viel cay, essen ein Kilo Bananen, und machen uns in einem verlassenen Straßenstand breit um uns einen Rest Notfallnudeln zu kochen. Abends findet Torsten nicht nur die Quelle, von seiner Reise vor zwei Jahren wieder, sondern auch den genialen Schlafplatz – ein verstecktes Hochplateau in der sonst sehr zeltunfreundlichen Landschaft – das bekannte Skelett und die alte Feuerstelle ist immer noch da. Wir finden frische Spuren in der Erde und hoffen, das sich kein Wildschwein hier breit gemacht hat. Am nächsten Morgen – nachts haben wir uns wegen merkwürdigem Schweinesound nicht aus dem Zelt getraut, stehen wir sehr früh auf, optimistisch Anamur abends zu erreichen. Je näher wir dem Kap kommen, desto windiger wird es, sodass sich die Bäume in der wildromatischen, vereinzelt sehr grünen Landschaft biegen. Wir kommen langsam voran, zudem hat Rieke eine Erkältung erwischt, sodass wir abends kurz vor Anamur abseits einer unbenutzten Straße unser Lager aufschlagen.


08/10/10 - Antalya nach Alanya [Tag 66-67/km 2729-2896]

Nachdem wir unsere Visaanträge abgeschickt haben und mit dem Postmann noch um ein 2:1 für das Türkei-Deutschland Spiel gewettet haben, heizen wir bei ordentlich Rückenwind auf guter Straße nach Side, wo wir abends eine touristische Kneipe finden, in der das Fußballereignis gezeigt wird. Um uns das Spiel anzugucken nehmen wir uns eine günstige Pansion (ungern suchen wir unseren Schlafplatz im Dunkeln oder lassen unser Zelt allein) und putzen uns ordentlich für diesen Anlass heraus (heißt: duschen und Jeans + Schuhe anziehen) um mal ganz normal zu wirken. Trotzdem fragt uns ein deutsch-Türke, mit dem wir uns in der Bar während des Spiels nett unterhalten: „Was macht ihr eigentlich? Ihr seht aus wie voll die Nomaden oder so!“

Nach einem schönen Abend, fahren wir am nächsten Morgen und gleichem extremem Rückenwind die 60km nach Alanya in nur gut zwei Stunden. Hier ist mega-Tourism angesagt, der allerdings kurz hinter der Stadt mit einer Touristen-Ritterburg abrupt verebbt. Auf einmal wachsen hier Bananen und sonst ist hier nichts mehr. Wir richten uns Robinson-Crusoe-mäßig ein nettes Plätzchen am Strand direkt hinter Bananenpalmen her, machen ein Feuer und grillen lecker unser letztes Gemüse.


03/10/10 - Antalya [Tag 61-65/km 2689-2729]

In Antalya angekommen suchen wir erstmal die Dedekonak Pansion, welche für uns freundlicherweise ein Paket aus Deutschland angenommen hat. Schwalbe schickt uns den neuen „Ökoreifen“ Marathon Green Guard, Schläche und Luftdruckmesser. Am nächsten Tag wechseln wir unser Domizil und checken in dem, vor zwei Jahren von uns besuchtem, Sabah Hostel ein. Die nächsten Tage stehen im Zeichen der Erledigungen_Wir kümmern uns um Visaangelegenheiten für den Iran, Routenrecherche und kleinere Shoppinggänge. Neben allem arbeitet Rieke noch an Grundschulmaterialien, um sich ihre Reisekasse etwas aufzubessern.

Dank ein paar Mountainbikern finden wir einen wirklich gut ausgestatteten Fahrradladen, wo wir einiges an benötigten Ersatzeilen finden. Mit Gökhan (MTB Pro und Inhaber des Ladens) baut Torsten Riekes Reiserad ein wenig um: der instabile und lästige Brezellenker wird getauscht!Nach vier Nächten geht es mit frischen Reifen, neuem Lenker und Schuhen (Rieke fährt seit 2 Monaten nur noch mit Sandalen) weiter Richtung Anamur.

 

27/09/10 - Kas, Cirali bis Antalya [Tag 55-60/km 2444-2689]

In Kas betreten wir nach den vielen Fährfahrten türkischen Boden. Vor zwei Jahren waren wir schonmal hier und freuen uns vieles wiederzuerkennen. Man sieht soviel, vor allem sich ständig verändernde Landschaft, sodass es sehr schön ist an einen Ort zu kommen, an dem man weiß wie es hinter der nächsten Kurve aussieht. Wir bleiben ein paar Tage auf dem wohl besten Camping soweit, polieren unsere Brocken türkisch auf, trinken cay, tauschen Geld, gehen schwimmen, essen Kebap, hören dem Muezzin zu.

Dann geht’s endlich mal wieder mit dem Rad weiter entlang der recht bergigen Küste bis wir das kleine versteckte Paradies Cirali erreichen. Hier gibts überall inmitten von tropischen Blumengewächsen und Orangenbäumen kleine Pansionen. Gleich am Strand sind die Reste der antiken Stadt Olympos zu sehen und die ewig brennenden Feuer die aufgrund auströmender Gase duzendweise aus einem Berghang züngeln. Hier schlafen wir auf Strandliegen und genießen den Sonnenaufgang zum Aufwachen.  Abends werden wir von einem netten holländischen Paar - die uns seit Kas schon mehrmals auf dem Rad gesehen hatten - auf ein paar Efes eingeladen. Um die starke Hitze zu umgehen - treten wir den steilen Anstieg, der wieder zur Hauptstrasse führt, nachts hoch, schlafen unter einer „Bushütte“ und fahren am nächsten Tag nach Antalya.